Desaster 09 – Großangelegte ABC-Schutzübung in Nordbayern


300 Helfer mehr als 7 Stunden im Einsatz



Ein Bericht von Oberstleutnant der Reserve Prof. Dr. Friedwart Lender

Beim Abtransport von Altlasten aus dem Bereich der ehemaligen Munitionsniederlage in Langlau haben sich Fässer mit gefährlichen Chemikalien entzündet. Der Brand gerät sehr schnell außer Kontrolle und breitet sich auf weitere Fässer aus. Bei Löschversuchen werden mehrere Arbeiter mit der Chemikalie kontaminiert. Durch den andauernden Brand breitet sich die Kontaminationswolke immer weiter aus und zieht auf das Naherholungs- und Urlaubsgebiet Langlau mit dem Brombachsee. Erste Zivilpersonen haben sich bereits mit gesundheitlichen Beschwerden an die Rettungsleitstelle gewandt. Weitere größere Gruppen im Naherholungsgebiet befinden sich im Ausbreitungsgebiet der Kontaminationswolke. Mit weiteren kontaminierten Personen ist zu rechnen.

Dies ist die Lage, die dem Szenario der groß angelegten Katastrophenschutzübung "Desaster 09" zugrunde lag, die vom Referat Brand- und Katastrophenschutz des Landratsamtes Weißenburg-Gunzenhausen, dem Reservistenverband Bayern und deren Leiter der Arbeitsgemeinschaft ABC-Schutz sowie dem Landeskommando Bayern der Bundeswehr mit über einem Jahr Vorlauf geplant wurde. Ziel war es alle von einer ABC-Schadenslage betroffenen Einheiten des erweiterten Katastrophenschutzes des Landkreises Weißenburg-Gunzenhausen sowie die Unterstützung durch die zivil-militärische Zusammenarbeit der Bundeswehr zu beüben und im Einsatz zu testen. Aus diesem Grunde wurde auch keine Stabsrahmenübung sondern eine reale Übung live im Gelände eingespielt und die Katastrophenschutzeinheiten über die üblichen Alarmierungswege abgerufen.

Zurück zum Ausgang: Eines Morgens kurz nach acht Uhr ziehen stechend riechende Dämpfe aus dem Waldstück bei Langlau auf den Ort und das Naherholungsgebiet Brombachsee zu. Um 08.30 Uhr ging in der Notrufzentrale die Meldung ein, dass Fässer mit Chemikalien in Brand geraten sind. Die örtlichen Feuerwehren wurden zur Absicherung und der Gefahrgutzug der Feuerwehr Weißenburg wurde zum Einsatz an der Schadensstelle alarmiert. Beim Eintreffen kamen den Feuerwehrleuten zwei Arbeiter entgegen, die aus der Schadensstelle geflüchtet waren. Sie gaben die Meldung ab, dass neun weitere Arbeiter verletzt bei den brennenden Fässern liegen.
Noch während die Feuerwehr dabei ist, den Gefahrguteinsatz abzuarbeiten, gehen in der Notrufzentrale weitere Meldungen ein, dass außerhalb der Schadensstelle sich Zivilpersonen mit Vergiftungserscheinungen gemeldet haben und sich eine dichte Wolke auf den Ort und das Naherholungsgebiet Brombachsee im Anzug befindet. Aufgrund der Brisanz wurde die Führungsgruppe Katastrophenschutz im Landratsamt verständigt. Nach der Lagebeurteilung ging dann alles seinen Weg: Auslösung des Katastrophenalarms, Indienststellung der Führungsgruppe Katastrophenschutz und des Kreisverbindungskommandos der Bundeswehr, Nachalarmierung von weiteren Einheiten zur Bekämpfung von ABC-Lagen.
Nachdem immer weitere Meldungen von kontaminierten Personen eingehen, wurde über das KVK die Bundeswehr um Unterstützung bei der Dekontamination von Personen ersucht. Da sich gerade die Reservisten der AG ABC-Schutz Mittelfranken-Ost unter der Leitung des Landeskommando Bayern mit Unterstützung der leichten ABC-Abwehrkompanie 120 in der nahe gelegenen Otto-Lilienthal-Kaserne in Roth einer Dekontaminationsausbildung befanden wurde nach Genehmigung durch das Wehrbereichskommando IV "Süddeutschland" die AG ABC-Schutz unter Leitung der leichten ABC-Abwehrkompanie 120 zum Einsatz bei der Katastrophe abgeordnet.

Nach drei Stunden war dann fast die gesamt Maschinerie in der Umgebung der Schadensstelle aufgefahren: Örtliche Einsatzleitung und Sanitätseinsatzleitung waren mit ihren Unterstützungsgruppen vor Ort. Die Gefahrgutzüge hatten die Verletzten kontaminierten Personen aus dem Gefahrenbereich gerettet. Die ABC-Schutzkomponente des Landkreises hatte mit Unterstützung der SEG GSG des BRK eine Dekontaminationsstelle für Verletzten eingerichtet, eine von zwei im Regierungsbezirk Mittelfranken vorhandenen Dekontaminationseinrichtungen. Die Bundeswehr betrieb eine Dekontaminationsstelle für Unverletzte Personen und stellte Ablösepersonal für den zivilen ABC-Dienst zur Verfügung. Das BRK war mit ihren Einheiten Behandlung, Rettung und Transport, Betreuung vor Ort und hat eine Unfallhilfsstelle eingerichtet und betrieben. Ebenso wurde eine Verpflegungsstelle errichtet. Die Brandschutzkomponente hatte sich um die Wasserversorgung für die Brandbekämpfung und Dekontamination gekümmert. Vier Stunden nach Auslösung des Alarms waren fast 300 Helfer im Einsatz. Nach sieben Stunden Einsatz konnte langsam an den Rückbau gedacht werden.

Die &Uml;bung Desaster 09 war die größte Katastrophenschutzübung mit einer ABC-Lage in Nordbayern in den letzten Jahren. Sie hat gezeigt, dass die Grundsätze des Katastrophenschutzes und der Zivil-militärischen Zusammenarbeit funktionieren und dass auch bis zu 300 ehrenamtliche Helfer zum Einsatz kommen. Sie alle haben belegt, dass sie ihre spezifischen Fähigkeiten beherrschen und in einer Katastrophe anwenden können. Die Übung hat aber auch gezeigt, dass die regionalen Kräfte bei einer Katastrophe dieser Größenordnung doch sehr schnell an ihre Grenzen kommen. Als Ablösekräfte waren schon die ABC-Dienste aus Bamberg, immerhin mehr als 120 km von der Schadensstelle entfernt, voralarmiert.

Die Übung Desaster 09 hat aber auch offenbart, dass es bei ABC-Lagen sehr von Vorteil ist, wenn ein ABC-Berater der Führungsgruppe Katastrophenschutz im Landratsamt bzw. dem Örtlichen Einsatzleiter zur Verfügung steht. Hierdurch können Entscheidungen beschleunigt und abgesicherter getroffen werden. In einer Nachbereitung mit den Führungskräften aller beteiligten Einheiten wurden die Ergebnisse der Übung ausgewertet und die entsprechenden Folgerungen gezogen.

Den vielen Besuchern von der Regierung von Mittelfranken, Polizeidienststellen, THW, Rotes Kreuz, den Landratsämtern sowie der Bundeswehr (Landeskommando Bayern und Streitkräfteunterstützungskommando aus Köln) und Pressevertretern konnte die Leistungsfähigkeit der Katastrophenschutzkräfte anschaulich unter Beweis gestellt werden. Am späten Nachmittag bei der Abschlussbesprechung konnte dann die Übung erfolgreich beendet werden. Dem Landratsamt Weißenburg-Gunzenhausen gilt hier der Dank, dass es bereit war, eine Übung solcher Größenordnung und mit einem ABC-Thema durchzuführen, das ja in der Öffentlichkeit immer gerne verdrängt wird.

An der Katastrophenschutz-Übung beteiligte Einheiten



Die Arbeitsgemeinschaft ABC-Schutz Mittelfranken-Ost
Die AG ABC-Schutz Mittelfranken-Ost ist eine von zwei bayerischen Initiativen im Rahmen der Modellerprobung Regionale Initiativen Reservisten bei der Katastrophenhilfe, die bei der Modellerprobung des Konzeptes durch das Streitkräfteunterstützungskommando und den Reservistenverband beteiligt ist. Die AG ABC-Schutz Mittelfranken-Ost wurde 2004 gegründet und wird von Oberstleutnant der Reserve Professor Dr. Friedwart Lender, Landesvorsitzender der Reservisten in Bayern, geführt. Das Ziel der AG ABC-Schutz ist die Aus- und Weiterbildung der Reservisten auf dem Gebiet der ABC-Abwehr sowie die Inübunghaltung der Reservisten, besonders in Bezug auf deren Einsatzfähigkeit bei Dekontaminationsaufgaben.

Bericht Altmühlbote
Bericht Weissenburger Tagblatt



Durch Anklicken der Bilder können diese im Großformat betrachtet werden.